Ich bin wütend. Ja wirklich, dieses Gefühl überkam mich in der Adventszeit. Eigentlich war es ganz schön, das Wetter wechselte immer mal wieder zwischen kalt und warm und Regen und die Feuerzangenbowle schmeckte wie jedes Jahr beim Weißen Zauber am Jungfernstieg auch ganz gut. Dann überschlug sich das Geschehen recht schnell: Ein LKW raste in Berlin in einen Weihnachtsmarkt nahe der Gedächtniskirche. Es starben Menschen, es gab Verletzte. Eine schreckliche Nachricht, noch schrecklicher: es war ein Anschlag, ein terroristischer. Täter war ein Asylantragsteller aus Tunesien, der um Schutz in Deutschland gebeten hatte. Er hatte ihn nicht bekommen.
Dann das: Die Innenminister der Länder telefonierten noch am Abend der Tatnacht: Was tun? Wie weiter vorgehen? Wie die Bürger schützen? Das Resultat: Weihnachtsmärkte und andere Großveranstaltungen sollen weiterhin stattfinden, vor Ort über lageangepasste und angemessene Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit entschieden werden. Aus Rücksicht auf die Opfer bleiben einige Weihnachtsmärkte zeitweise geschlossen, es gibt keine Musik oder es gibt Trauerminuten. Bundesinnenminister de Maizière erinnert, wir sollen uns „unser freiheitliches Leben nicht nehmen lassen.“ In der Praxis heißt dies mehr Polizeipräsenz in ganz Deutschland auf unseren Weihnachtsmärkten. Teilweise mit Schutzwesten und Maschinenpistolen. Und Zufahrten werden kontrolliert, Betonklötze („Legosteine“) zur Gefahrenabwehr durch etwa Fahrzeuge aufgebaut. Gut, dass die Hamburger Polizei da gerade erst in diesem Jahr noch aufgestockt hatte. Da waren mir, ehrlich gesagt, die wunderschönen getwitterten Sonnenuntergangsfotos lieber. Bringt dann auch nichts, nach den „turbulenten Tagen eine kleine Freude“ mit einem weiteren Bild zu machen. Lieber wären mir da keine Maschinenpistolen auf Weihnachtsmärkten, denn diese schüren bei mir viel mehr Unsicherheit als die Geschehnisse in Berlin. Mehr Polizeipräsenz vor Nachahmungstätern und Eigensicherung, gerne, aber geht das nicht in zivil? Immerhin beruhigend, dass wir in diesem Jahr feststellten, dass die Polizei in der Regel nur auf Tiere schießt. Hoffen wir, dass es so bleibt. Oder vielleicht fühle ja auch nur ich so.
Danke Hamburg. Danke liebe Innenminister unserer Bundesländer. Das mit dem frohen, seligen Weihnachtsfest der Liebe habt ihr uns nicht so richtig gönnen wollen. Das war es dann wohl, jetzt gilt wohl was anderes? Stärkere Einreisebeschränkungen für Flüchtlinge, Obergrenzen, Schwerpunktunterbringungseinrichtungen für passlose Asylbewerber, schnellere Abschiebungen für sogenannte „Gefährder“, bestenfalls noch aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland. Das wird nicht nur in Berlin, in Deutschland, auch in Hamburg diskutiert, ganz frisch wieder nach den Ereignissen der letzten Woche. Zum Glück gibt es in unserer Hansestadt noch Weihnachtsengel, die die mahnenden Legosteine mit Farbe besprühten, frei dem Motto: Mehr Farbe, weniger Angst. Danke, wirklich, danke!
Ach ja, Angst ist ein gutes Stichwort für den heutigen Heiligabend wie auch die jetzigen Feiertage. Wir werden reden. Mit Familienmitgliedern und Freunden. Die Freunde haben wir uns ausgesucht, die Familie, die haben wir. Ganz richtig, dann werden die Zukunft, Angst, Enkelkinder, Peinlichkeiten, Provokation und Eskalation die Themen und Gefühle der zu führenden Gespräche sein. Noch viel wichtiger aber ist: Wir reden. Die Zeit titelte ganz richtig: Wir müssen jetzt reden. Der Grund: An Weihnachten kommen die unterschiedlichsten politischen Meinungen an einen Tisch. Eine seltene Gelegenheit zum Austausch. Bitte keine falsche Harmoniesucht!
Ganz in diesem Sinne, wünscht Elbmelancholie allen Leserinnen und Lesern ein frohes, harmonisches und debattenreiches Weihnachtsfest, welches uns zu bereichern vermag! Nein, nicht nur materiell. Denn das würde mich wieder wütend machen.
Doch zu guter Letzt, vielleicht können die jetztigen Gespräche mit einem Blick auf das neue, getwitterte Bild der Hamburger Polizei beginnen, denn unsere Stadt ist wirklich sehr schön: