Reichsbürger in Hamburg

Bild: Andreas Grieß
Debatte

Bevor Donald Trump die Medien beherrschte machte ein anderes Phänomen die Runde, das zuvor eher belächelt wurde: Reichsbürger. Menschen, die die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen, sie wahlweise als Firma oder Besatzungsmacht bezeichnen und sich als Bürger des Deutschen Reichs oder anderer „Staaten“ ausgeben. In den meisten Fällen sind die betreffenden Personen weit im rechten Spektrum zu verorten. Als ein Polizeibeamter in Franken von einem solchen Reichsbürger erschossen wurde, hörte das belächeln zumindest für einige Tage auf – Politik und Medien bezeichneten die Bewegung als Gefahr.

Auch in Hamburg gibt es selbsternannte Reichsbürger. Eine Kleine Anfrage der Bürgerschaftsabgeordneten Inge Hannemann von der Linken, die Ende Oktober beantwortet wurde, ermöglicht einen Überblick darüber, wie stark verbreitet die Bewegung in unserer Stadt ist. In der Anfrage steht, die Reichsbürgerbewegung werde derzeit nicht vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg beobachtet. Das ist mittlerweile anders: Anfang November gab der Verfassungsschutz der Hansestadt bekannt, die Reichsbürgerbewegung zu beobachten, da deren Mitglieder die Bundesrepublik Deutschland als Staat und damit die verfassungsmäßige Ordnung ablehnen. „Den hier in Hamburg aktiven Gruppen sind derzeit schätzungsweise 50 Personen zuzuordnen“, schreibt der Verfassungsschutz. Zudem würden die „Reichsbürger“ aktiver: „In Hamburg sind diese Personen seit einigen Wochen verstärkt mit regelmäßigen Stammtischen, Internetauftritten sowie in sozialen Netzwerken aktiv.“

Doch welche Fälle gab es zuvor bereits? Hier lohnt erneut der Blick in die Antwort auf die genannte Kleine Anfrage: Zwei Fälle werden in der Vorbemerkung der Antwort auf die Kleine Anfrage konkret aufgeführt. So seien im August 2016 Flyer mit der Aufforderung verteilt worden, Hamburger mögen eine Staatsbürgerschaft für den „Bundesstaat Freie und Hansestadt Hamburg“ beantragen. In diesen Rahmen sei die Polizei von Reichsbürgern aufgefordert worden, „diesen Ablauf verantwortlich zu gewährleisten.“ Gegen eine Verantwortliche wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, da sie unrechtmäßig Wappen und Siegel der Stadt verwendet habe. In einem anderen Fall führe das LKA ein Verfahren wegen Störung des öffentlichen Friedens und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Beschuldigte lehnt die Legitimation der gesamten Exekutive ab und fordert seinerseits eine halbe Million Euro.

Doch nicht nur diese beiden Fälle sind der Stadt bekannt. In den vergangenen fünf Jahren hatte die Staatsanwaltschaft mit einer Reihe von Reichsbürgern zu tun. So liegen ihr unter anderen Erkenntnissen zu folgenden Ereignissen vor:

  • Zwei Ermittlungsverfahren, in denen Personen Führerscheine des „Verkehrsministeriums des Freistaates Preußen“ vorlegten
  • Ein Auto, an dem das EU-Zeichen am Kennzeichen mit einer Reichskriegsflagge überklebt wurde
  • Eine Person, die am Flughafen einen Reisepass des „Deutschen Reichs“ vorlegte
  • Zwei Verfahren, in denen die beschuldigte Person „ein Sammelsurium von Ausdrucken“ zur Akte legte, die beweisen sollten, dass die Bundesrepublik eine GmbH sei. Zudem wandte sich die Person in Schreiben stets an „Firma: Amtsgericht Hamburg-Barmbek“

Die ordentliche Gerichtsbarkeit hat laut dem Senat ebenfalls mit Reichsbürgern zu tun. So gebe es mehrere Fälle, etwa bei Ordnungswidrigkeiten, in denen die Beschuldigten die Gesetze und Legitimation der Behörden und Gerichte in Frage stellen. Auch sei es „zu mehreren Vorfällen“ gekommen, in denen sogenannte Reichsbürger und Germaniten Mitarbeitern der Geschäftsstelle mit Strafanzeigen gedroht hätten und „hohe Schadensersatzforderungen“ gestellt haben.

Zudem ist in der Senatsantwort zu lesen: „Weiterhin nahmen sogenannte Reichsbürger – sei es als Partei beziehungsweise Beteiligte oder als Zuschauer eines Verfahrens – mittels Mobiltelefon Videoaufzeichnungen der mündlichen Verhandlung im gerichtlichen Verfahren vor. Zum Teil werden diese Filme sodann im Internet auf der YouTube-Plattform eingestellt.“ Einmal sei sogar ein Polizeieinsatz nötig geworden, weil sich Anwesende weigerten, das Filmen zu unterlassen.

Immerhin: Dem Senat sind keine Fälle bekannt, in denen sich Mitarbeiter der Behörden der Reichsbürgerbewegung angeschlossen haben.

HINWEIS/ KORREKTUR: In der ersten Fassung dieses Beitrag hieß es, die Bewegung der Reichsbürger werde nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Diese Information war überholt (siehe zweiter Absatz)

Über

Andreas kam 2010 zwei Monate für ein Praktikum nach Hamburg. Im Sommer 2012 kehrte er nach abgeschlossenem Studium zurück, um hier als Journalist zu arbeiten. Twitter: @youdazandreasgriess.de Redaktionsleiter von Elbmelancholie

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