Unerwartet & Unbemerkt: Unerwünschte Auszüge und unbeliebte Domains

Bild: Inga Zimmermann
Netzleben, Stadtgefühl

Der September brachte Hamburg wieder viel Gesprächsstoff. Doch abseits der erwartbaren Themen gab es auch wieder Unerwartetes, das zum Thema wurde und Unbemerktes, über das es zu diskutieren lohnt.

Unerwartet

Viel Unerwartetes passierte im Fall der Straßenkinderprojekts Kids. Seit etwa 23 Jahren kümmert sich das Projekt um Kinder ohne Bleibe. Direkt am Hauptbahnhof gelegen, ist es für viele die erste Anlaufstation zurück in ein geordnetes Leben. Hier öffnen sie sich und finden Vertrauen. Eine Arbeit, für die die Mitarbeiter von vielen Seiten Lob erhalten. Im Sommer wurde bekannt, dass es für Kids dennoch eine Kündigung für ihre Bleibe im Bieberhaus gibt. Der Vermieter, Alstria Immobilien, will das Gebäude sanieren. Seit einem Jahr sucht Kids bereits nach einer neuen Bleibe – vergeblich.

Dabei ist der Fall Kids anders als andere Fälle, in denen langjährige Mieter ihre Bleibe verlassen müssen. Die Einrichtung bekam durchaus Unterstützung. Wie Mitgründer Burkhart Czarnitzki dem NDR berichtet, haben der Vermieter und andere Immobilien-Unternehmer bei der Suche geholfen: „Die Big Player der Hamburger Immobilienbranche haben für uns gesucht – sie haben nichts gefunden.“ Ein einziges Angebot habe Kids erhalten. „Das war selbst dem Markler peinlich, uns das zu zeigen“, so Burkhart Czarnitzki.

Auch die Stadt zeigte sich wohlwollend, zum Beispiel in Person des Bezirksamtsleiters Mitte, Falko Droßmann. Marcel Schweitzer von der Sozialbehörde Hamburg sagte dem NDR: „Es soll nicht am Geld scheitern“, auch wenn keine horrende Mieten gezahlt werden könnten. Trotz all dieser Unterstützer konnte überraschend keine neue Bleibe gefunden werden. Das Problem bleib bis zuletzt die Fläche. Denn alle Beteiligten stimmen darin überein, dass Kids weiter direkt am Bahnhof sein soll, wo die meisten Straßenkinder zusammen finden.

Kurz vor dem endgültigen Aus gab es dann überraschen eine weitere Wendung. Gemeinsam mit der Sozialbehörde konnte Kids sich auf eine Übergangslösung einigen. Ab dem 4. Oktober werden vier Container auf Parkplätzen in der Nähe der Gleise stehen, wo Kids zunächst weiter machen kann. Währenddessen wird eine Fläche am Holzdamm, also hinter dem bisherigen Standort, vorbereitet. Sobald dieser fertig ist, wird Kids dorthin umziehen, ebenfalls in Container, aber in deutlich mehr. Doch auch hierfür gilt: „Auch dieser Ort ist nur ein Provisorium“, wie Thomas Nebel von Kids dem NDR schildert.

Weiterhin befindet sich Kids also auf der Suche, muss aber dank der Übergangslösungen auf dem letzten Drücker immerhin nicht dicht machen. Langfristig hoffen die Betreiber zudem, nach der Sanierung wieder ins Bieberhaus zurückkehren zu können. Doch bis dahin wird ohnehin noch viel Zeit vergehen.

Unbemerkt

Vor rund zwei Jahren starteten die .hamburg-Toplevel-Domains. Lokale Betriebe sollten verstärkt die neuen Domains nutzen, um ihre Verbundenheit zur Stadt zu zeigen und gleichzeitig bessere Ergebnisse bei Google zu erzielen. Die Stadt ist als Gesellschafter an der Betreiber-Gesellschaft beteiligt und hat mit ihr darüber hinaus einen Kooperationsvertrag geschlossen, um ihren Einfluss zu sichern und gleichzeitig an möglichen Gewinnen teilzuhaben. Allerdings: Danach sieht es derzeit kaum aus.

Gerade einmal 25.576 Registrierungen für eine .hamburg-Domain gibt es bis Mitte September, berichtet die Welt. Vor allem das zweite Jahr spricht dabei nicht für eine Wachstumsstory, denn hier wurden lediglich 2.168 Adressen registriert. Geschäftsführer Oliver Süme beschwichtigt gegenüber der Welt, die neue Endung brauche Zeit, sich durchzusetzen. Tatsächlich sind vielen Hamburgern noch immer die neuen Domain-Endungen kein Begriff, was wohl auch viele Unternehmen abschreckt. Sie setzen lieber auf die gewohnte .de-Adresse, wo doch viele Nutzer diese fast schon automatisch miteingeben.

Hinzu kommen die teils hohen Kosten für die Domains. Im Regelfall kosten sie um die fünfzig Euro im Jahr und damit etwa das Fünffache einer de-Domain. Viele interessante Adressen wurden zudem als sogenannte Premium-Adressen reserviert und werden deutlich teurer verkauft. Für Startups oder gemeinnützige Gruppen scheiden die Adressen damit meist aus.

Ob die .hamburg-Domains so aus der unbemerkten Nische herauskommen, ist fraglich. Blickt man in den Kooperationsvertrag zwischen Stadt und Domain-GmbH, bemerkt man, dass beide Seiten wohl mit mehr Erfolg gerechnet haben. So zahlt die GmbH der Stadt pro registrierter Domain einen kleinen Jahresbetrag, gestaffelt nach Anzahl der insgesamt registrierten Domains. Aktuell sind das 3 Euro pro Domain. Die erste Schwelle, ab der 4 Euro gezahlt werden müssen, liegt bei 50.000 Domains und ist damit noch weit entfernt. Weitere Stufen wurden für 75.000 und 100.000 Registrierungen festgelegt.

Sowohl Stadt, die Domain-GmbH, als auch die jeweiligen Endhändler wollen an den Domains verdienen. Viel Geld ist hier jedoch nicht zu holen. Für die Registry lohnt sich erst die Masse, die Händler machen ihr Geld eher mit Zusatzleistungen, wie Webspace. Gerade letzteren ist die Art der Domain daher egal. Aus der Politik kommen deshalb Forderungen, öffentliche Unternehmen sollten stärker auf die .hamburg-Endung setzen, um sie so weiter zu pushen. Ob das etwas ändert? Vielleicht wird die Hamburg-Adresse ja unerwartet noch ein großer Hype – oder sie bleibt eher unbemerkt.

Über

Andreas kam 2010 zwei Monate für ein Praktikum nach Hamburg. Im Sommer 2012 kehrte er nach abgeschlossenem Studium zurück, um hier als Journalist zu arbeiten. Twitter: @youdazandreasgriess.de Redaktionsleiter von Elbmelancholie

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