Olaf Scholz über seine Meinung zum Journalismus

Bild: Andreas Grieß
Debatte

Alljährlich findet beim NDR in Lokstedt die Jahrestagung der Journalisten-Vereinigung Netzwerk Recherche statt. So auch diesen Freitag und Samstag. Dieses Mal auch dabei: Bürgermeister Olaf Scholz. Die Veranstalter hatten ihn gebeten, über „die Medien und ihre Verantwortung“ zu sprechen. In Anschluss an die Rede stellte sich Scholz noch einigen Fragen von NDR-Journalistin Julia Stein und dem Publikum. Dabei sagte Scholz vielleicht mehr über sich, als über Medien. Man merkte ihm an, dass er den Umgang mit Öffentlichkeit gewohnt ist. Die Fragen konnten ihn kaum aus der Deckung locken. Gleichsam zeigte er auch, warum ihn nicht wenige für eitel halten und eine dünne Haut attestieren.

Scholz Verhältnis zu den Medien ist durchaus ein distanziertes, wenn es um ihn als Objekt der Berichterstattung geht. Er erklärte beispielsweise, warum er nur selten in Talkshows auftrete: Zum einen würde er dafür keine bereits ausgemachten Termine absagen und zum anderen trete er nur auf, wenn er sich von der Diskussion wirklich einen Erkenntnisgewinn verspreche. Das zusammen genommen sei selten der Fall. Außerdem forderte er, dass die Medien den Talkshow-Gästen nicht alles durchgehen lassen sollten. Kein Politiker, der etwas in einer Talkshow fordere, werde später noch einmal damit konfrontiert und gefragt, was er für die Durchsetzung seiner Forderung getan habe, meint Scholz.

Zwischen den Zeilen wurde deutlich: Scholz glaubt, dass er dabei besser wegkommt, als andere. Gleichzeitig transportiert er Kritik: Talkshows würden nicht darauf setzten, Konsens zwischen den Diskutierenden herzustellen, sondern Konflikte durch möglichst extreme Positionen darzustellen. Das würde Politikern wie Donald Trump den Aufstieg erleichtern. Aber Scholz meint: In der Geschichte der Bundesrepublik habe es bereits Talkshow-Größen gegeben, die in der eigentlichen Politik historisch keine Rolle spielten.

Kein Freund von Panorama und Co.

„Ich glaube, das politische Magazine, die erreicht haben, dass kein Politiker, der irgendwas zu sagen hat, ihnen ein Interview gibt, sich eine selbstkritische Frage stellen müssen“

Darauf angesprochen, ob er Politmagazinen wie Panorama Interviews geben würde, sagte der Bürgermeister, er würde diese nur unter „Echtzeitbedingungen“ geben, also wenn sie ungeschnitten und im Kontext gezeigt würden. Er habe das Gefühl, dass die Beiträge zum Teil schon einseitig fertig seien und die Redaktion nur noch ein Politiker für einen aus dem Zusammenhang gerissenen O-Ton suche, von dem man schon vorher die Meinung habe, dass er blöd sei. „Ich glaube, das politische Magazine, die erreicht haben, dass kein Politiker, der irgendwas zu sagen hat, ihnen ein Interview gibt, sich eine selbstkritische Frage stellen müssen“, so Scholz.

Mit dieser scharfen Kritik wurde der SPD-Politiker deutlicher, als in seiner Rede zuvor. Darin kritisierte er auf der Seite der Medien vor allem, dass diese oft ihr Publikum nicht ausreichend erreichen würden, so dass es sich neue Informationsquellen sucht. Scholz forderte mehr Haltung im Journalismus und mehr kritische Reflektion: „Leider hat die journalistische Gesellschaftsbeobachtung allzu oft einen blinden Fleck, wenn es um die eigenen Leistungen geht. Es wäre gut, wenn sich das änderte: Wir brauchen guten Journalismus dringender denn je, und besser wird Journalismus nur, wenn er sich reflektiert und daraus lernt“, so der Bürgermeister. In seiner Rede verteidigte er, wie kaum anders zu erwarten, den unabhängigen Journalismus und hob dessen Bedeutung für die Demokratie heraus. 

Doch die könne noch oder wieder größer werden. Immer wieder hob Scholz Parallelen zwischen Politik und Journalismus hervor. Im Hinblick auf Hasskommentare sagte er, er glaube, „dass es hier nicht um einen Verfall kommunikativer Sitten geht, sondern um eine Infragestellung der vorherrschenden politischen Kultur, die eben nicht nur die Medien trifft, sondern alle öffentlichen Institutionen gleichermaßen.“

Hat Scholz die Lust an der politischen Auseinandersetzung verloren?

Das Vertrauen müssen also Medien wie Politiker gleichermaßen zurückgewinnen. Olaf Scholz wurde daher nach seiner Rede auch gefragt, ob ein Politiker immer die Wahrheit sagen müsse. Antwort: „Ja.“ Nachfrage: Darf ein Politiker nur nicht lügen oder darf er auch die Wahrheit nicht verschweigen? Hier denkt Scholz für einen Moment nach und antwortet sinngemäß, dass Politiker nicht nur für das verantwortlich sind, was sie formulieren, sondern auch für den Eindruck, den sie erwecken. Und an diesen müssten sie sich halten.

„Es muss auch möglich sein, dass man dann hinterher feststellt: Die meisten Leute waren meiner Meinung.“

Nur regulierte Interviews, kaum Talkshows – zum Abschluss wollte ein Gast wissen, warum Scholz dünnheutig auf Kritik reagiere und ob er die Lust an der politischen Auseinandersetzung verloren habe. Antwort: Nein. Er streite sich ständig mit allen möglichen Leuten und lasse sich von vielen sehr heftig kritisieren. „Aber es muss ja auch möglich sein, dass man dann hinterher feststellt: Die meisten Leute waren meiner Meinung“, so der Bürgermeister selbstsicher. Das Olympiareferendum erwähnte Moderatorin Julia Stein in diesem Zusammenhang nicht mehr, sondern schloss die Runde mit der Bemerkung, dass Scholz noch einmal eine Kostprobe seines Selbstbewusstsein gegeben habe.

Über

Andreas kam 2010 zwei Monate für ein Praktikum nach Hamburg. Im Sommer 2012 kehrte er nach abgeschlossenem Studium zurück, um hier als Journalist zu arbeiten. Twitter: @youdazandreasgriess.de Redaktionsleiter von Elbmelancholie

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