Tatort „Fegefeuer“: Til Schweigers „feuchter Traum“

Bilder: © NDR/Gordon Timpen
Kunst und Kultur

Nun ist nach „Der große Schmerz“ am Neujahrstag mit dem Tatort „Fegefeuer“ (Mediathek) auch der zweite Teil der Tatort-Doppelfolge mit Til Schweiger als Nick Tschiller ausgestrahlt worden. Nachdem uns die Autoren vor zwei Tagen noch mit einem halb offenen Ende in die Nacht entließen, wurden nun die meisten der offenen Fragen geklärt. Fragen, die vor allem dank Logiklöchern im ersten der beiden neuen Hamburg-Tatorte ermöglicht wurden.

Bereits vor zwei Tagen wurde gezeigt, dass Nick Tschillers Gegenspieler Firat Astan (Erdal Yildiz) noch lebt, vor allem, da sich niemand berufen fühlte, ihn nach dem Schusswechsel zu suchen. Nun wird klar: „Seine Leute“ haben ihn sehr wohl gesucht, werden aber schnell von Tschiller aus dem Weg geräumt. Im weiteren Verlauf des Filmes wird sich diese Situation noch mehrfach wiederholen: Ob Polizei, Astan-Leute oder russischer Geheimdienst: Hamburgs „Tatort“-LKA-Mann kann es mühelos mit James Bond, Ethan Hunt (Mission Impossible) und Batman aufnehmen – gleichzeitig.

Die Action-Szenen sind dabei weitestgehend gut gemacht und bieten für deutsche TV-Verhältnisse hohe Kunst. Einzig, dass diese von Til Schweiger verkörpert werden, mag für einige doch wirken als sei es – Zitat aus dem letzten Tatort – Schweigers „feuchter Traum“, was insbesondere für den Schuss mit der Panzerfaust gilt, der Vorab schon in Bildern und Trailern zelebriert wurde. Im Kontrast dazu fast billig produziert wirkt hingegen der Beginn, in dem das Tagesschau-Studio innerhalb der Geschichte gestürmt wird. Hier wähnt man sich als Zuschauer kurzzeitig eher bei „Switch“. Die fiktive Geiselnahme vor vertrauter Tagesschau-Kulisse inklusive Judith Rakers als sich selbst war wohl auch der Grund, weshalb die Verantwortlichen den Film nicht kurz nach den Anschlägen von Paris zeigen wollten.

Nick Tschiller (Til Schweiger) setzt wie gewohnt vor allem auf subtile Gesprächsführung - nicht / © NDR/Gordon Timpen

Nick Tschiller (Til Schweiger) setzt wie gewohnt vor allem auf subtile Gesprächsführung – nicht / © NDR/Gordon Timpen

Auch in diesem Schweiger-Tatort ist die Handlung schnell erzählt: Tschiller hat Astan, den wollen Geiselnehmer freipressen. Nachdem Astan Tschillers Frau getötet hat, ist aber unklar, ob der ihn wirklich ausliefert. Zudem hat Hamburgs Innensenator Constantin Revenbrook (Arnd Klawitter) ein gesteigertes Interesse am Tod Astans, da er sonst erpressbar ist. Letztgenannter Punkt macht dabei die deutliche Steigerung zu „Der große Schmerz“ aus, denn tatsächlich ist lange nicht genau klar, wie der Zusammenhang zwischen Innensenator, Astan und Russen ist oder wie dieser aufgeklärt werden kann. Außerdem kommt Fahri Yardim als Tschillers Co-Ermittler Yalcin Gümer mit seinem Wortwitz deutlich besser zur Geltung und bekommt mehr Screentime, was dem Film spürbar gut tut. Und die dritte Ermittlerin Ines Kallwey (Britta Hammelstein) darf auch ernsthafte Arbeit leisten (und Kaffee bringen).

Solide Unterhaltung, im „Tatort“ aber deplatziert

Dennoch bleiben wie im Film am Neujahrstag große Logiklöcher, die den Genuss schmälern: So kann zum Beispiel Tschillers Tochter einfach an der Polizei vorbei durch das Krankenhaus stapsen. Wo Jesus noch das Brot vermehrte, kann Tschiller aus dem Nichts immer neue Handys generieren. Dass der Innensenator durch sein stümperhaftes Verhalten sich selbst enttarnt, kann man an dieser Stelle jedoch noch als halbwegs realistisch durchgehen lassen, immerhin waren echte Ex-Innensenatoren schon bei „Promi Big Brother“.

Alles in allem war „Fegefeuer“ also durchaus solide TV-Unterhaltung, die innerhalb der Tatort-Reihe jedoch nach wie vor deplatziert wirkt. Und so ist es doppelt schade, dass „Der große Schmerz“ lediglich der Vorbereitung von „Fegefeuer“ diente. Auch eine Helene Fischer konnte da nicht helfen. Die entsprechende, unter den Erwartung gebliebene Zuschauerzahl von etwas über acht Millionen ist eine gerechte Quittung dafür.

Aus Hamburger Sicht lässt sich festhalten, dass die Handlung gut an die Stadt angepasst war und in der Form mit Kiez, Hafen und Senator auch nur in Hamburg funktionierte. Die Stadt diente nicht allein als Kulisse für eine Geschichte, die überall hätte spielen können. Freilich ist alles deutlich übertrieben, auch wenn aktuelle Meldungen zu Rockerkriegen vor Augen führen, das tatsächlich Halbautomatikwaffen in Hamburg zum Einsatz kommen.

Fortsetzung im Kino. TV-Zukunft ungewiss

„Fegefeuer“ war der insgesamt vierte Hamburg-Tatort mit Til Schweiger in der Hauptrolle und Erdal Yildiz als Gegenspieler Firat Astan. Nummer fünf wird bereits in Kürze zu sehen sein – allerdings erst einmal nur im Kino (Trailer siehe unten). Auch hier ist Erdal Yildiz wieder dabei, ebenso wie Fahri Yardim und Schweigers Tochter Luna. Im TV soll der Film erst 2018 ausgestrahlt werden.

Auch wenn „Fegefeuer“ uns ohne direkten Cliffhanger entließ, soll die Handlung im Kino-Film „Tschiller A.D.“ an die der beiden gerade im Fernsehn gezeigten Filme anknüpfen. Ob es vor der TV-Ausstrahlung noch weitere Tschiller-Filme im TV geben wird, dazu hat der NDR bislang noch keine Angaben gemacht..

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Über

Andreas kam 2010 zwei Monate für ein Praktikum nach Hamburg. Im Sommer 2012 kehrte er nach abgeschlossenem Studium zurück, um hier als Journalist zu arbeiten. Twitter: @youdazandreasgriess.de Redaktionsleiter von Elbmelancholie

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