Ende Juni verkündete das Betahaus, es habe einen Insolvenzantrag gestellt. Seitdem hat sich einiges getan. Ein Plan für die Zukunft des Betahauses steht; doch weiterhin fehlt Geld. Wie Gesellschafter Lars Brücher in seinem privaten Blog schreibt, bleiben noch wenige Tage, um 14.115 Euro zusammen zu bekommen – für eine Mietkaution.
Aber der Reihe nach. Das Betahaus, nahe der U-Station Feldstraße gelegen, ist ein Co-Working-Space. Selbstständige, Studierende oder Start-Ups können sich hier einmieten und es als Bürofläche nutzen. Bezahlt wird auf Monats- oder Tagesbasis. Es gibt die Möglichkeit, ein Postfach anzumieten, ebenso einen Konferenzraum – und Kaffee gibt es auch. Vorbild ist eine ebenso gestaltete Einrichtung mit gleichem Namen in Berlin. Auch in anderen Städten gibt es vergleichbare Angebote. Sie sollen nicht nur flexibel Arbeitsraum bieten, sondern im Idealfall auch Networking erleichtern und Start-Ups und kreative Ideen über klassische Berufsgrenzen hinweg ermöglichen.
Eine schöne Idee, die auch in Hamburgs Netz- und Kreativszene viele für wichtig halten. Allerdings: Die Nachfrage war nie ausreichend da. Im Blogpost des Betahaus zum Insolvenzantrag hieß es: „Ihr habt vielleicht mitbekommen, dass das betahaus nicht immer brechend voll war.“. Die Folge dessen: Das Betahaus Hamburg wurde zu einem „Unternehmen, das es zunächst einmal nicht geschafft hat, profitabel oder zumindest kostendeckend zu wirtschaften“, wie es eine Woche später in einem weiterem Blogpost hieß. Ein Insolvenzverwalter kümmerte sich seitdem um die Belange, es gab eine ganze Reihe von Unterstützerbotschaften.
Umsatz jetzt über Masse
Als einen ersten Schritt änderte das Betahaus in den vergangenen Wochen das Preismodell und wurde dadurch für viele Nutzer preiswerter. Bisher verlangte das Betahaus zum Beispiel (es gab weitere Preismodelle) 125 Euro für ein Zehner-Ticket oder 250 Euro für ein „Dauerticket“ (jeweils + 10 Euro Mitgliedschaft). Die neue „Flatrate“ kostet 40 Euro (plus Steuern). 100 solche Tickets wurden vergeben, es gibt eine Warteliste für weitere Interessenten.
„Wir machen den Umsatz halt jetzt über die Masse anstatt den Preis“, schreibt mir Lars Brücher, einer der Männer hinter dem Betahaus. Und weiter: „Insgesamt verdienen wir jetzt gar nicht wahnsinnig viel mehr, aber es ist stabiler und mehr Leute bedeuten mehr Coworking und mehr Menschen, die Dinge gemeinsam tun.“ Brücher schreibt zudem, dass positives Feedback aus Szene und Politik in Sachen Betahaus-Rettung komme. Auch die Stadt sei sehr hilfreich gewesen und werde, sollte das Betahaus die kommenden Tage überstehen, auch beim weiterhin geplanten Umzug finanzielle Unterstützung leisten.
In Brüchers persönlichem Blog ist zudem seit heute ein Statement zu finden, das weitere Einblicke in das Insolvenzverfahren und die mögliche Zukunft bietet. Demnach hat der Insolvenzverwalter den 1. September als Frist für eine mögliche Rettung gesetzt – was kommende Woche Sonntag ist. Sollte diese Rettung gelingen, würde der nicht-liquide Teil der Gesellschaft abgewickelt, der Rest verkauft. Brücher schreibt, dass der Kaufpreis zwar allen Gläubigern zu Gute käme, dadurch aber nur ein Teil der Schulden beglichen werden könnte. „Man muss ganz klar sagen, dass dieser Neustart – egal durch wen – damit quasi nur mit einem großen Schuldenschnitt der Gläubiger geschehen kann“, so Brücher. Mit anderen Worten: Die Geldgeber bleiben wohl auf einem Teil der Schulden sitzen.
Das Betahaus kauft sich selbst
Den Schuldenschnitt bezeichnet Brücher als „eine grenzwertige Angelegenheit“, sowohl aus generellen Gründen, als auch „weil viele Gläubiger wie die vielen Microfunder aus unserem engeren Freundes & Familienkreis kommen“. Als Alt-Gesellschafter könnten die bisherigen Eigner dies nur vor sich selbst verantworten, weil sie selbst ebenfalls „50.000 EUR in den letzten drei Jahren ins betahaus gesteckt und verloren“ hätten.
Dennoch soll es weiter gehen, denn ein potentieller Käufer ist bereits gefunden: Ein Teil der bisherigen Gesellschafter (mindmatters und Lars Brücher), sowie als neuer Gesellschafter Alfonso von Wunschheim, wollen das Betahaus weiter führen. Zu den dann ausscheidenden, bisherigen Gesellschaftern schreibt Brücher, sie „stehen hinter der Rettung, wollen aber aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr als Anteilseigner fungieren.“ Für den Neustart haben die drei möglichen Neu-Gesellschafter nach eigenen Angaben bereits Geld von verschiedenen Sponsoren aus der digitalen Hamburger Wirtschaft gesammelt. Zusammen mit eigenen Einlagen könne man so finanziell gesund neustarten und „einen für einen Neustart verkraftbaren Kaufpreis für die alte Gesellschaft“ zahlen. Dennoch fehlen noch 14.115 Euro für eine Mietkaution. Sie wird fällig, weil die neue Firma die Betahaus-Räumlichkeiten nach der Liquidierung der alten GmbH neu anmieten müsse.
Bis Ende des Monats muss das Geld also zusammen kommen. Doch vielleicht geht es schon schneller: „Wir sind gespannt. Ich denke spätestens Montag wissen wir Bescheid“, schreibt mir Lars Brücher. Das klingt doch schon mal vielversprechend.
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